Selbstverständnis

protestantisch verantwortlich handeln - Leitwort

Der Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer ist ein von ehrenamtlichem Engagement getragenes Netzwerk protestantischer Unternehmer, Manager und Führungskräfte.

  • Wir rüsten uns geistig und geistlich zu, um uns in unserem Glauben zu vergewissern.
  • Wir suchen ethische Orientierung und fachlichen Austausch, um uns in unserem unternehmerischen Entscheiden und Handeln zu bestärken.
  • Wir beteiligen uns an der kirchlichen Meinungsbildung zu wirtschafts- und sozialethischen Fragen, um Kirche und Soziale Marktwirtschaft verantwortlich mitzugestalten.

 


protestantisch verantwortlich handeln - Einführung

"protestantisch verantwortlich handeln" fasst als Leitwort das grundlegende Selbstverständnis des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer zusammen. Die nachfolgenden Gedanken sollen dieses Leitwort weiter entfalten:

handeln …

Während das bloße "Sich Verhalten" auf einen statischen Zustand verweist, der sich nicht selten im "Abwarten", "Aushalten" und "Erdulden" erschöpft, liegt der essentielle Gehalt des Handelns gerade darin, zu agieren, Initiative zu ergreifen und aktiv zu werden. Wir müssen uns von der behaglichen Illusion verabschieden,

  • dass es einen universellen teleologischen Plan der Weltenläufte gäbe (so wie Hegel und Marx dies als orakelnde Philosophen postulierten) und
  • dass wir, dies sei in Demut hinzugefügt, privilegiert wären, einen solchen Plan zu verstehen, wenn es ihn denn gäbe.

Da wir einen solchen Entwurf nicht voraussetzen dürfen, sind wir vor die Aufgabe gestellt, als wirkende Akteure Alternativen zu schaffen, diese Alternativen zu bewerten, zwischen ihnen zu entscheiden und letztlich zu handeln.

Sir Karl Raimund Popper hat es folgendermaßen ausgedrückt: "Statt als Propheten zu posieren, müssen wir zu den Schöpfern unseres Geschicks werden. Wir müssen lernen, unsere Aufgaben zu erfüllen, so gut wir nur können, und wir müssen auch lernen, unsere Fehler aufzuspüren und einzusehen." (Sir Karl Raimund Popper: Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band 2, 1980, 347).

Vor diesem Hintergrund muss es als denkbar erbärmlichstes Armutszeugnis gelten, wenn eine Führungskraft selbstvergessen Zuflucht zu der Aussage nimmt, die Lage sei "alternativlos". Einer scheinbaren Alternativlosigkeit das Wort zu reden, ist gleichermaßen bequem, unwissenschaftlich und undemokratisch:

  • bequem, weil es den Mangel an eigenem Handlungswillen zu verschleiern versucht und sich statt dessen in vorauseilendem Gehorsam vermeintlichen Sachzwängen anbiedert,
  • unwissenschaftlich, weil es nicht auf falsifizierbaren Hypothesen beruht und
     
  •  undemokratisch, weil vermeintlichen Sachzwängen ein geradezu totalitärer Wahrheitsgehalt zugeschrieben wird.

Die Kernaufgabe und Legitimation einer Führungskraft besteht gerade darin, Alternativen aufzuzeigen, nachvollziehbar zu bewerten und zwischen ihnen verantwortlich auszuwählen.

verantwortlich …

Dies leitet zum Begriff der "Verantwortung", dessen Wortbedeutung die Selbstverpflichtung beinhaltet, auf einen Anspruch oder einen Vorwurf zu antworten. Wenn ich verantwortlich bin, dann stehe ich in der Bringschuld, diese Antwort zu geben, niemand sonst.

Der Bundespräsident hat das verbreitete Abschieben von Verantwortung auf Systemzwänge beklagt: "In der Vergangenheit lag eine bequeme Lösung im Verschieben von Verantwortlichkeit ins Abstrakte. [...] Wir sprechen über einen abstrakten Feind, der unüberwindbar klingt wie Militärmacht und Mauern des Kalten Krieges. Das Problem einer solchen Abstraktion ist: In dieser Welt gibt es niemanden, mit dem man verhandeln, Kompromisse finden, Kooperationen entwickeln oder gar Frieden schließen könnte. [...] Die Spur der Verantwortung verliert sich dann im Klagen über die Komplexität der Dinge, im Modus der Unzuständigkeit oder schlicht der Verzagtheit. Wir schimpfen eloquent auf anonyme Märkte, Massen oder Mechanismen - wir sehen zu selten auf die Menschen, ihre Haltung, mit der sie Entscheidungen treffen und etwas verändern können." (Joachim Gauck auf dem "Führungstreffen Wirtschaft 2012" der Süddeutschen Zeitung, am 15. November 2012 in Berlin).

Ähnlich beliebt wie die Beschwörung der Alternativlosigkeit ist die Flucht in die "Bezug nehmende Rechtfertigung": "Das habe ich mit dem Herrn Vorstandsvorsitzenden schon besprochen, das brauchen wir hier nicht mehr auszubreiten, ..." Mit solcher Bezugnahme auf andere Autoritäten - die im wirklichen Leben häufig genug gar nicht involviert waren - versucht der Handelnde lediglich, sich der Notwendigkeit der Legitimation zu entheben. Zudem erspart es die oft mühsame Überzeugungsarbeit, delegiert die Verantwortung nach oben und schafft für den Versagensfall antizipierend die Möglichkeit, behaupten zu können, man selbst sei ja anderer Meinung gewesen und hätte die Entscheidung auch gar nicht selbst befürwortet.

protestantisch …

Verbunden sind wir und die zuvor genannten Grundgedanken nicht zuletzt durch den Begriff "protestantisch": Eine eindringliche und zeitlose Definition von "protestantisch christlich" bietet Martin Luther in seiner Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" von 1520. Er beginnt mit einem scheinbaren Paradoxon:

  • "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan."
  • "Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan."

Der protestantische Christenmensch ist frei und niemandem untertan, weil er auf die Möglichkeit der "Bezug nehmenden Rechtfertigung" verzichtet: Er bedarf nicht eines Agenten oder Mittlers, um sein Verhältnis zu Gott zu regeln oder eine zusätzliche Quelle der Erkenntnis aufzutun. Wenn er verantwortlich ist, dann gibt er die Antwort, nicht jemand anders. Unsere Verantwortung vor Gott nehmen wir in uns und mit uns selbst wahr.

Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan: Beim Gebrauch jedweder Ressourcen, wie z. B. Erde, Wasser, Luft, Energie, Kapital, Arbeitskraft etc., ist er verantwortlich gegenüber seinen Mitmenschen, seinen Mitarbeitern, Nachbarn, den nachfolgenden Generationen und somit jedermann untertan.

Nicht zufällig verweisen auch säkulare Statuten auf diese beiden Instanzen: "Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, ..." heißt es in der Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949.

Das scheinbare Paradoxon wird aufgelöst durch die kausale Verknüpfung: Weil wir frei sind, weil wir Wahlmöglichkeiten haben, verpflichten wir uns, als protestantische Christenmenschen verantwortlich zu handeln.


(Einführender Impuls von Dr. Hans-Jürgen Leuchs, Ingelheim, Stv. Vorsitzender des Kuratoriums des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer in Deutschland e. V., Mitglied des Gesellschafterrates E. Merck KG und Mitglied des Aufsichtsrates Merck KGaA, anläßlich der Jahrestagung in Berlin am 24. November 2012)